Geschichte

1987-2007

Im Mai 1987 fahren Beata und ich mit Traktor und Zirkuswagen nach Sardinien. Wir wollen auf einem Stück Brachland, das ich zusammen mit ein paar Freunden gekauft habe, eine Unterkunft errichten und dafür 1-2 Jahre bleiben. Es liegt im Südosten Sardiniens, 2 km vom Meer entfernt.

Bei unserer Ankunft finden wir unser Stück Land, wie auch die ganze nähere Umgebung, durch einen Buschbrand zerstört vor. So präsentiert sich unser Traumziel in einem traurigen Zustand: keine Vegetation, schlechter Boden, wenig verfügbares Wasser aus einem in unserer Abwesenheit erstellten Sodbrunnen.

Zudem erfahren wir, dass die Baubewilligung für die Unterkunft blockiert ist.

Mit ungebremstem jugendlichem Tatendrang und Enthusiasmus beginnen wir mit Rodungsarbeiten. Erste Priorität hat ein kleiner Garten für Gemüse. Wir staunen, was für prächtiges Gemüse nach wenigen Wochen auf dieser mageren Erde wächst.

Das Wasser wird mit einer Benzinpumpe aus dem Brunnen gefördert. Bald einmal besorgen wir uns einen Diesel-Strom-Generator, eine Occasion, und eine Elektropumpe. Mit diesem System der Stromerzeugung, aufwändig und mit vielen Pannen verbunden, werden wir uns noch bis ins Jahr 2005 herumschlagen. weil der Anschluss ans öffentliche Netz erst zu jenem Zeitpunkt dank einer Gesetzesänderung für uns erschwinglich wird.

Im ersten Sommer erstellen wir um das ganze Grundstück von 6 Hektaren einen Zaun, um mehr Ruhe vor Ziegen, Schafen und umherstreifenden Jägern und Sammlern zu haben.

Aus Stämmen, altem Blech und Bausteinen aus einem Abbruch baue ich einen provisorischen Unterstand und Stall mit Schilfdach, für die erste Ziege und den vor Ort erstandenen Arbeitsesel. Er wird, mit einer erneuerten Bedeckung aus Gutta-Platten, bis in die Gegenwart bestehen!

Zur Verbesserung der Vegetation auf dem Land pflanzen wir mehrere hundert Bäume der einheimischen Flora, welche die Forstverwaltung gratis zur Verfügung stellt. Wir roden ein weiteres Stück Land von einer halben Hektare, um Probepflanzungen mit Kräutern anzulegen.

Das Ausgangsmaterial für den dringend benötigten Kompost besorgen wir uns durch das Ausmisten der Ställe eines Ziegenhirten.

Der Beginn unseres Unternehmens fällt in eine generelle Trockenperiode, welche uns über etwa 4 Jahre Sorgen machen und in der Folge beträchtliche Investitionsmittel verschlingen wird. Der Sodbrunnen versiegt und nachfolgende Wasserbohrungen bringen keinen dauernden Erfolg, sodass wir über etliche Jahre mit Wasserknappheit zu kämpfen haben.

Dank unserem Engagement vor Ort und dem Eintrag ins lokale Landwirte-Register erteilt die Gemeinde nach einiger Zeit die Baubewilligung. Nur hat unser Kollege, der das Vorhaben finanzieren soll, inzwischen die Mittel anderweitig verbraucht. So suchen wir für unsere eigenen Pläne Unterstützung (in der Schweiz) und finden sie bei einer Stiftung und bei Privatpersonen.

Erste Priorität im baulichen Bereich haben die Räumlichkeiten für die Trocknung der Kräuter, ihre Lagerung und die Verpackung. Die Maurerarbeiten werden vergeben, die Holzarbeiten (Dach, Boden, Türen) führe ich selber aus.

Weitere Bauvorhaben sind eine Remise mit Werkstatt aus Tuffstein und zum Schluss ein Wohnhaus in der ortsüblichen alten Adobe-Bauweise, mit sonnengetrockneten Bausteinen aus Lehm und Stroh.

Beata lernt beim benachbarten Ziegenhirten das Métier und arbeitet mit ihm zusammen. Für einige Jahre, bis zur Geburt unseres ersten Kindes, ist das, neben dem Besorgen des Hausgartens, ihre Hauptbeschäftigung und ihr Beitrag zu unserer gesellschaftlichen Integration und Anerkennung am Ort - und natürlich ein wichtiger Beitrag zu unserem Auskommen.

Ein Schweizer Tourist, der ohne unser Wissen die Gegend bereist, erzählt zu Hause unseren Bekannten, unter den sardischen Hirten gäbe es Frauen und sie riefen die Ziegen auf Zürichdeutsch…

Ich nutze sämtliche Gelegenheiten für Nebeneinkommen: Deutschkurse im Dorf, Unterricht über Kräuteranbau an der Landwirtschaftlichen Schule, Mithilfe bei einem Ferienhäuser-Vermieter in Costa Rei, und vor allem Schreinerarbeiten am Katamaran-Bau unseres Kollegen Rolf, welcher sein Schiff-Projekt  auf unserem Hofareal realisiert.

So entsteht im Laufe von etwa 6 Jahren ein kleines Anwesen, wo eine bescheidene, in der Schweiz verkaufte Menge getrockneter Kräuter produziert wird.

 

Erweiterung

Anfangs der Neunzigerjahre vernehmen wir, dass ein Nachbar sein angrenzendes Grundstück einem Bau-Spekulanten verkaufen will. Wir setzen alle Hebel in Bewegung, um einerseits dem Spekulanten zuvorzukommen und anderseits die benötigten Mittel zusammenzubringen. Der Kauf gelingt und so schaffen wir uns die Möglichkeit, auf viel besserem Boden und  grösserer Fläche zu arbeiten und weitere Standorte für Wasserbohrungen zu haben. Der dazugehörende Hang mit wilder Vegetation und pittoresken Felsen hat hohen Erholungswert. Und hier bietet sich die Gelegenheit, für die Wasserversorgung ein Reservoir als Ausgleichsbecken zu erstellen, womit die Bewässerung in grösserem Stil überhaupt erst ermöglicht wird.

In der Folge entsteht dort ein Kräuterareal von etwas weniger als einer Hektare, unterteilt durch Hecken aus Myrte und Rosmarin. Die Parzellengrösse ist optimal an die Arbeitsweise mit dem Esel und mit der Hacke, sowie an die Ernte von Hand angepasst. Natürlich ist auch hier ein Zaun notwendig und die Erstellung der Bewässerungsanlage mit vergrabenen Hauptleitungen und der oberflächlichen Feinverteilung bis hin zu den Tropfern bei den einzelnen Pflanzen.

Für dieses Unterfangen erhalten wir private Hilfe und Subventionen von der Regione Sardegna, indem wir ein Projekt präsentieren. Darin sind neben der Pflanzung und der Bewässerung u.a. auch die Gebäude enthalten. Ein anderes Subventionsprogramm der Regierung, speziell in dieser Trockenheitsperiode, erlaubt uns, das Reservoir von 200m3 (und einen weiteren Brunnen) zu bauen. Alle bestehenden Brunnenbohrungen werden mit z.T. langen unterirdischen Leitungen damit verbunden. Andererseits speist es neben den Kulturen alle Gebäude mit Wasser, auch das etwas weiter entfernte Haus unseres Kollegen Rolf.

Um das zunehmende Arbeitspensum zu bewältigen, wird eine verlässliche Hilfe notwendig. Wir finden sie in Gianni aus Muravera. Er ist auch heute, nach 16 Jahren, noch bei uns angestellt und setzt seine Erfahrung mit unermüdlicher Energie um.

Im Jahr 1998 wird unsere erste Tochter, Nuria, geboren. Beata hört mit der Hirtenarbeit auf und verkauft wenig später den Grossteil der eigenen Tiere.

Es besteht weiterhin das Problem der Wasserknappheit, und wir lassen ein hydrogeologisches Gutachten für unser Gelände erstellen. In der Vergangenheit haben wir uns auf Wünschelrutengänger verlassen. Es resultiert ein günstiger Standort für einen Brunnen relativ nahe beim Trocknungsraum. Die dort abgetäufte Brunnenbohrung trifft eine sehr gute Wasserader, welche in normalen Jahren allein fast den ganzen Bedarf des Hofes deckt.

Ums Jahr 2000 wird der Bedarf an mehr Raum dringend. Wir brauchen schon von Gesetzeswegen ein separates Lager für die Kräuter. Die Nachfrage nach dem Gästezimmer ist gut und wir möchten das Angebot vergrössern.

Ich habe keine Lust, noch mehr Steinhäuser zu bauen und mich mit Handwerkern herumzuschlagen. Wir suchen darum in der Schweiz eine Occasions-Holzbaracke. Nach einiger Zeit finden wir ein geeignetes Objekt, eine Bürobaracke von 8x25 Metern. Im Januar 2000 reise ich für drei Wochen  nach Roggwil. Die Gemeinde stellt mir und meinen Helfern den Luftschutzkeller zum Schlafen zur Verfügung. Wir zerlegen das Gebäude und führen es mit Lastwagen zum Bahnhof, wo es auf die Eisenbahn umgeladen wird und den Weg nach Sardinien antritt. Von Cagliari auf unseren Hof kommt es wiederum per Lastwagen.

In den folgenden Jahren erfolgt der Wiederaufbau, schrittweise und in eigener Regie, mit verschiedenen Helfern. Das Gebäude wird in zwei verschiedengrossen Teilen aufgestellt; ein grösserer für die Gäste und ein kleinerer als Lager.

Der bürokratische Teil des Baus bleibt bis in die Gegenwart unvollendet. Um Verzögerungen in der Baubewilligung und hohe Kosten zu vermeiden, ist als Nutzung für alle Räume „Lager und Verarbeitung“ angegeben.

Im Jahr 2001 wird unsere zweite Tochter Sahira, geboren.

Seit einiger Zeit haben wir das Bedürfnis nach einem neuen Horizont, der auch einen zusätzlichen Beitrag an die Einkünfte des Hofes beinhalten soll. Wir finden dies in der Betreuung von Jugendlichen und Erwachsenen in schwierigen Lebenssituationen. Mit dem Verein VEGA aus Arlesheim ergibt sich eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit und wir dürfen viele wertvolle und lehrreiche Erfahrungen machen.

Milena, unsere dritte Tochter, kommt 2005 zur Welt.

In diesem Jahr erhalten wir den Anschluss ans öffentliche Stromnetz. Dank einer Gesetzesänderung bezahlen seit kurzem ansässige Familien nur eine bescheidene Pauschale. Der langjährige Dieselgenerator erleidet einen Monat vor dem Anschluss Totalschaden und sorgt das letzte Mal für Stress ...

 

2007 - 2010

Der Verein VEGA hat immer mehr Überlebensprobleme, weil Mangel an Klienten und Klientinnen herrscht, und stellt anfangs 2008 seine Tätigkeit ein. Das führt dazu, dass für uns die Betreuung seit jenem Sommer als Erfahrungs- und Einkommensquelle ausfällt. Wir finden keinen Ersatz für diese Zusammenarbeit, vor allem wegen dem Platzierungs-Skandal in Spanien.

Gegen Ende 2009 gerät der Iriswurzeln-Absatz ins Stocken.

Dies und die nachfolgend aufgeführten Gründe bringen uns in eine extrem schwierige finanzielle Lage, obwohl uns kurzfristig Freunde und Kunden mit verschiedenen Beträgen aushelfen und obwohl wir 2009 rund 500kg getrocknete Kräuter produziert und verkauft haben.

 

Modernisierung

Anfangs 2007 wollen wir die Anbaufläche ausdehnen und geben ein Projekt für Subventionen ein. Es wird angenommen und Ende 2008 beendet.

Die Basis des Projektes ist die Neu-Pflanzung von 1 Hektare Anbaufläche, mit Verveine, Zitronenthymian, Thymian, Majoran, Origano, Salbei, Rosmarin, Krauseminze und Fenchel. Die Parzellen liegen alle nebeneinander, auch wenn etliche Spontanvegetation dazwischen liegt, und sind so ausgelegt, dass sie auch mit dem Kleintraktor bearbeitet werden können. Rundherum entsteht eine lange Hecke aus Lorbeer. Zusätzlich pflanzen wir auf dem eigentlichen Hofareal ein Quartier Süssholz an. Wir ziehen in einem Zeitraum von 1 ½ Jahren rund 23'000 Pflanzen an und setzen sie.

Die Pflanzung wird mit einem Zaun vor Ziegen und Wildschweinen geschützt. Wir lassen eine Brunnenbohrung, die ausser Betrieb war, durchspülen und die elektrische Ausrüstung erneuern (auch sie muss heutzutage EU-konform sein und vom Elekrtriker abgenommen werden). Die Zugänge zu den Kulturen und zum Hofareal werden mit 3 richtigen Toren versehen.

Im Rahmen des Projektes realisieren wir endlich den für unsere Arbeit dringend benötigten Dresch-und Sieb-Raum (50 m2). Die elektrischen Anlagen im Lagerhaus, im Abpack-Raum, im Trocknungsraum, im Wurzel-Schleif-Raum und in den Gästezimmern werden überarbeitet und damit EU-konform gemacht. Mit 250 m unterirdischer Wasserleitung wird die Wasserversorgung der unteren Häuser (Holzhaus und Casa Rosa) vervollständigt.

Eine tragbare Kräuter-Ernte-Maschine hilft, einen Teil der Ernten zu rationalisieren. Ein neuer Kleintraktor ermöglicht die schlagkräftige Vorbereitung der Pflanzflächen und bessere Kontrolle des Unkrautes zwischen den Pflanzenreihen.